Braunsche Röhre

Status quo der Konsumer-Fernseh-Entwicklung

Eine ganz unpolitische Meinung von Klaus Welter, DH6MAV

Die Unterhaltungsindustrie will, wie in jedem kapitalistischen System gewünscht, den Umsatz steigern. Manchmal gibt es technischen Fortschritt, der dem Fernsehzuschauer mehr Qualität bietet, manchmal auch technische Zwänge, die zu einer Erneuerung der heimischen Ausrüstung veranlassen. Eine Aufzählung:

Ich kann mich noch gut erinnern, wie nach den 10* VHF-Kanälen schließlich UHF eingeführt wurde. Dann reichten die Frequenzen wieder nicht aus, UHF musste nach oben erweitert werden. Welche Freude nicht nur für den Handel, sondern auch fürs Handwerk. Denn jedes Mal musste auch die Antennenanlage umgerüstet werden.

Dann der Bildformatwechsel von 4:3 nach 16:9. Schließlich der Wechsel der analogen Restseitenband-Modulation in der Terrestrik zum digitalen DVB-T. Alsbald folgte mit DVB-T2 HD die Ablöse und auf Satelliten folgte nach FM das digitale DVB-S, dann S2, hinzu noch die Änderungen der Kodierung, etwa für 4K oder 3D-Fernsehen. Parallel folgte auf Mono der Stereoton, dann wurden diverse 5.1-Verfahren eingeführt. Ein Weiteres ist die Verlagerung ins Internet, was einen sog. smarten TV oder Konverter bedingt. Hier gab es erst analoge, dann je nach Provider-Vertrag proprietär digitale Geräte.

Man müsste glatt mal tabellarisch listen, wieviel Zeit vergeht, bis der Verbraucher zu einer Neuanschaffung gezwungen wurde und er wieder Geld ausgegeben musste. Älteren Menschen fällt die Bedienung neuer Geräte zunehmend schwerer.

Und in der Zukunft?

Der nächste Schritt ist die Ablöse von DVB-T2 durch 5GTV (FeMBMS). Dieser Schritt ist seit der letzten WARC auf europäischer Ebene für 2030 anvisiert; die alte Bundesregierung hatte dazu den Weg schon ab 2025 vorbereitet. Jetzt spricht man in Berlin wieder eher von 2030.
Doch was sagen die Industrie und der Handel dazu?

Am 27.1.2022 beschwerte sich der führende Interessenverband „gfu“ in einer Pressemeldung über den Rückgang der verkauften TV-Geräte im Jahr 2021, nämlich um 20% gegenüber 2020. Man habe nur noch TV-Geräte im Wert von 4,1 Milliarden Euro verkauft. Da höhere Verkaufspreise erzielt werden konnten, hat sich freilich der Umsatz statt um 20% nur um 7% reduziert. Und das, obwohl sich im letzten Jahr, also 2021, mal gar nichts technisch „revolutioniert“ hatte, oder?

Oh doch: Das Angebot nach einem größeren Bildschirm verlockt. Und vielleicht ist es ergänzend der Wunsch des Verbrauchers, „Zeit souverän“ Fernsehen zu schauen, d. h. das Programm oder ein Podcast von den Sendern zu streamen, wann man/frau will. Manche Sender sind nur übers Internet empfangbar und heißen Netflix, Amazon, Disney und Co. Dazu muss in jedem Fall ein smartes TV-Gerät oder mindestens eine Streaming Box angeschafft werden. Oder man guckt auf PC.

Neben dem Trend zum größeren Bildschirm im Wohnzimmer kommt der Empfang über Kleinbildschirme hinzu. Schon vor Jahren sprach man von Second Screen, was meist ein WLAN-Tablet war. Für die Jugend ist meist das Smartphone der einzige Empfänger. Und der soll nun 5GTV-fähig werden. Alle Öffentlich-Rechtlichen wie auch die privaten Fernsehsender arbeiten an der Übertragungstechnologie fürs Smartphone.

Wunsch der Programmmacher ist, die Zuschauer „besser kennen zu lernen“. Das ist mit herkömmlichen Broadcast-Verfahren nicht möglich. Daher wurde das Programm-begleitende HbbTV aufgepeppt. Ab Version 2.0 wird parallel übers Internet eine Verbindung zum TV-Sender aufgebaut. Der bietet individualisiert Informationen an. Also ganz auf Gegenseitigkeit. Der Mobilfunkindustrie reicht das nicht; sie will beteiligt sein und fördert darum 5GTV, d..h. die Aussendungen laufen dann ausschließlich über Mobilfunkfrequenzen im altbekannten UHF-Band. Um dafür Platz zu machen, sollen die UHF-Broadcast-Sender abgeschaltet werden. Endgültig!

dh6mav(at)darc.de

* VHF umfasste 12 Kanäle, es wurden jedoch Kanal 1 und 12 nie verwendet.