Terrestrisch oder über Satellit

Ein Statusbericht zum Amateurfernsehen und ein Blick auf die Kommerziellen
von Klaus Welter, DH6MAV

Die meisten ATV-Anhänger werden ihr Hobby mit Duplexbetrieb über Relais, gelegentlich auch im Direktkontakt pflegen, also in Summe terrestrisch. Zu beobachten ist auch Betrieb über unseren Amateurfunk-Transponder QO-100 in 35786 km Höhe (auf 26,5 Grad Ost). Bezogen auf den Einzugsbereich muss allerdings zugegeben werden, ist es noch eine Minderheit an Funkamateuren, die sich überregional, international oder gar transkontinental austauschen. Nicht zuletzt ist die nötige Sendeleistungsdichte (Leistung der PA plus Antennengewinn) ein Hindernis. Noch rangieren die Anschaffungskosten für linear arbeitende 13-cm-PA in absoluter Oberklasse, so dass kleinere Antennen, also handhabbare Spiegeldurchmesser, nicht ohne weiteres durch ein Mehr an Sendeleistung ausgeglichen werden können. Nutzt man einen 2,2 m im Durchmesser messenden Parabolspiegel – den man erst mal aufstellen können muss – werden 25 W in der Einspeisung benötigt. Mitunter kann von 1,2 m Durchmessern gelesen werden, dann aber bei 50 W PA Output (als Input-Leistung ist wegen der nötigen Linearität das Fünffache anzustreben).

Bandbreitenreduzierung heißt das Zauberwort, um über diesen „Trick“ überhaupt auf die erforderliche Energiedichte zu kommen. Komprimierungsverfahren helfen dabei. Aktuell scheinen die diesbezüglichen Möglichkeiten schon ziemlich ausgenutzt. DATV-Anwendungen über Satellit bescheiden sich mit nur 333 kSymbole/s, belegen damit 500 kHz bei Video-Bit-Raten bis 440 kbit/s, Codierung H264 (MPEG-4) aus 576i25, also dem alten PAL-Standard. Aber auch in H265 wird codiert für höhere Videoauflösungen bis 1080p30. (Werte entnommen dem Bericht in TV Rptrs Rptr-112 von G8GKQ. Vergleiche auch die Übersetzung von DL4KCK vom 2.10.2022 hier auf der AGAF-Homepage) Es wird in dem Zusammenhang auch gern von RB-TV gesprochen, Reduced-Bandwidth TV. Als Standard kommt DVB-S2 zum Einsatz; Experimente mit DVB-T2-RB werden terrestrisch als auch über Satellit unternommen.

Screenshot_DB0KK-Quad
Screenshot vom Livestream des ATV-Relais Berlin DB0KK. Links oben (Willi, DC5QC, via QO-100) und rechts unten sind zwei DATV-Stationen enthalten, das Relais speiste diese in die Quad-Ausgabe.

Vielleicht werden uns künftig nochmal weiter entwickelte Codierungen einen Schritt der Realisierbarkeit schmalster Signale näherbringen. Es wird bereits mit 125 kSymbole/s und weniger experimentiert. In Großbritannien laufen Schmalband-DATV-Versuche terrestrisch im 2-m-Band, das dort bis 148 MHz reicht. Hierzulande und in den meisten anderen Staaten ist Gleiches weder im oberen 10-m-Band noch im 6-m-Band erlaubt. Noch nicht – so möchte man sagen.

Als technischer Vergleich: Die Kommerziellen setzen z.B. 22000 kS/s ein. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass gleichzeitig mehrere TV- und Hörfunkprogramme über einen z.B. 8 MHz breiten Kanal übertragen werden. Geschenkt wird niemandem etwas.

Einstweilen kann sich der DATV-Freund auch als „SWL“ betätigen – gemeint ist, als Zuschauer auf dem QO-100. Er wird dafür nur selten zu Settop-Boxen aus den Regalen von Saturn, Expert oder Media-Markt greifen können, u. a. wegen der abweichenden TV-Satellitenübertragungsnormen der kommerziellen Fernsehsender. Zwar schreibt die Homepage der AMSAT-DL zur Empfangsmöglichkeit, es ginge ein „Standard Satelliten-Receiver für DVB-S2“. Doch wird das scheitern an der von der Mehrheit der DATV-Funkamateure benutzten geringen Symbolrate. Kommerzielle Boxen lassen sich selten auf Werte unter 1 MSymbole/s einstellen. Außerdem wird bei geringen Bandbreiten die eingestellte Frequenz nicht stabil einrasten, insbesondere wenn im Band ein Nachbarsignal erscheint. Vom bekannten Receiver Octagon SF8008-Single ist so ein zweischneidiger Erfahrungsbericht bekannt.

Das Mittel der Wahl ist darum der Einsatz des MiniTiouner Pro2, der von 144 bis 2450 MHz empfängt. Die Ausgabe von Bild+Ton und alle Messwerte sowie die Bedienung erfolgen über USB am PC. (Zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen lieferbar als Bausatz beim DARC-Verlag. AMSAT-DL meldet alle seine Down-Konverter-Bausätze für ausverkauft! Stand Nov. 2022)

Der LNB muss zum Empfang des Breitband-Transponders horizontal polarisiert eingerichtet sein, also abweichend zum Schmalband-Transponder, der Sprachsignale etc. vertikal empfängt. (Dazu elektrische Umschaltung oder LNB um 90° in der Halterung verdrehen.) Die oft diskutierte, nötige Frequenzstabilisierung betrifft den Empfang von Signalen des Schmalband-Transponders. Entwarnung: Video-Amateure haben zumindest empfangsmäßig kein Problem mit leichtem Driften.

Abschließend noch ein Blick auf unsere „kommerziellen Nachbarn“. Fernsehen kann heutzutage live über vier Wege empfangen werden: per Kabel, per Satellit, per Stream aus dem Internet (LAN, Mobilfunk) oder terrestrisch von den Sendetürmen. Nachdem vor wenigen Jahren in manchen Ländern, darunter auch Deutschland, die Norm für die Terrestrik geändert worden war – von DVB-T nach DVB-T2 HD – gab es einen Einbruch bei den Zuschauerzahlen. Inzwischen haben sich die Zahlen dank standardisiertem Triple-Tuner und günstiger Settop-Boxen nicht nur erholt, sondern die früheren sogar übertroffen. Der ZVEI (Zentralverband der Elektro- und Digitalindustrie e.V.) meldet in seiner Quartalszeitschrift ampere 4/2022, dass in Europa 43 % der Haushalte Antennen-Fernsehen schauen. Dass der ZVEI überhaupt das Thema aufgreift, hängt mit der Energiekrise zusammen. Die deutsche Industrie bemüht sich um Nachhaltigkeit, die vergleichsweise bei IP-TV (Internet) nicht gegeben ist. Der ZVEI hält darum fest, dass der Energieverbrauch bei einer terrestrischen Programmverbreitung geringer ist. Darum will sich der ZVEI für den weiteren Erhalt der UHF-Frequenzen 470 bis 694 MHz (Kanal 21-48) auf der Weltfunkkonferenz 2023 einsetzen. Diese waren nur bis 2030 gesichert.

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Sender Wendelstein in 1794 m ü. NN, Antennen-Bauhöhe 55 m. (Foto: DH6MAV)

Nicht unerwähnt sei, dass laut einer aktuellen Untersuchung durch das Marktforschungsinstitut Kantar im Auftrag der Media Broadcast in Deutschland immerhin 14 % der Haushalte terrestrisch Fernsehen schauen. Dies wird auf den Internet-freundlichen „Sozialen Medien“ oft negiert. Nach dem Systemwechsel waren es mal nur 7 %! Betrachtet wurde der Empfang über alle Arten Endgeräte und an allen Orten, also etwa im Kinderzimmer genauso wie auf der Terrasse oder beim Camping. Auch die Media Broadcast spricht in einer Pressemitteilung von Energieeffizienz und krisensicherem Verbreitungsweg audiovisueller Inhalte per DVB-T2 HD oder perspektivisch 5G-Broadcast. In Ballungszentren, also Städten mit viel Mitwohnungen, liegt der Anteil typischer Weise doppelt so hoch wie der Landesdurchschnitt. Man kann z.B. für München annehmen, dass jeder vierte Haushalt die TV-Programme vom Olympiaturm empfängt.