Nostalgie hat Vorteile

DB0OAL-Testbild
ATV vom Tegelberg-Relais DBØOAL
Von Klaus Welter, DH6MAV, Hofstetten-Hagenheim

Lang, lang ist es her, Senioren werden sich erinnern. Man drehte am Mischoszillator des heimischen Fernsehers nach unterhalb UHF-Kanal 21 und empfing Amateurfernsehen ATV in AM-Restseitenband-Modulation. Manchmal gab es Konflikte mit den Schmalband-Anwendern, damals FM-Sprechfunk. Vielen Funkamateuren gefiel es nicht, dass 6,25 MHz des 10 MHz breiten 70-cm-Bandes nach ihrer Ansicht dem Amateurfernsehen „geopfert“ werden sollten.
Mit Eröffnung des Satellitenempfangs auf ASTRA im Dezember 1989 sollte sich die Sachlage ändern. Zwar gab es schon erste Versuche mit FM-ATV auf Bändern wie 23 cm und höher in den 80er Jahren. Doch ab den 90ern standen in den Ladenregalen Settop-Boxen, die gewiefte Funkamateure bald für sich zu nutzen wussten. Die Funktion war einfach: Die Low-Noise-Block-Konverter (LNB) im Spiegel setzen die Satellitenfrequenzen bei 11 GHz um in den Empfangsbereich von 950 MHz bis 1750 (später 2250 MHz). Entscheidend war, dass die käuflichen Empfänger zum einen das 23-cm-Band beinhalteten und zum anderen als Modulation FM zum Einsatz kam. War die Rx-Seite damit geklärt – und zumal preiswert – so bereitete die Tx-Seite dank der simplen Frequenzmodulation den Funkamateuren nun weniger Aufwand. Dabei reden wir natürlich von der rein terrestrischen Anwendung. Von ATV via Satelliten konnte noch lange keine Rede sein.

Frage der Kompatibilität und des leichten Zugangs
Es zeigte sich somit, dass am Konsumer-Markt erhältliche Geräte, wie die eben zitierten Settop-Boxen, den Funkamateuren zum schnellen Einstieg in die Betriebsart ATV halfen. Mit der leichten Zugänglichkeit waren die Geräte auch Steigbügelhalter, um sich jeweils einem nächsten technischen Level zu widmen. Das galt bei späterer Umstellung von FM hin zu DVB-S und DVB-S2. Nur mit DVB-T und DVB-T2 (HD) tun sich für die terrestrische Übertragung die YL und OM schwerer. Indirekt gestatten die von der Aufsichtsbehörde (BNetzA in Deutschland) gesetzten Auflagen keine Mitverwendung von Konsumer-Geräten. Denn solche sind für die verordneten schmalen Bandbreiten und damit einher gehend niedrigen Symbolraten nicht ausgelegt. Auf unsere Sparte des Amateurfunks wirkt sich dies stark bremsend aus. DATV ist „proprietär“ geworden.

Es gelten im 70-cm-Band maximal 2 MHz Bandbreite, für DATV-Relais sind es nur maximal 1 MHz. Im 23-cm-Band ist ATV mit maximal 16 MHz Bandbreite zulässig, was FM-ATV gerade mal zwischen 1272 bis 1288 MHz gestattet. Digitales ATV findet sich laut Bandplan mit +/- 3 MHz um die 1291 MHz; DATV-Relais wurden in jüngerer Vergangenheit wegen vermeintlicher Interferenzen mit dem Navigationssystem „Galileo“ in Deutschland regional eingeschränkt. Erst in den Bändern 13 cm und oberhalb sind wieder nennenswerte Bandbreiten möglich.

Portabel-Peilung
ATV kann etwas kniffelig sein. Die Unwägbarkeiten liegen in der Topografie, in der korrekten Interpretation der Parameter und letztlich in der Zuverlässigkeit der meist gestückelten Ausrüstungsteile für VHF oder SHF. Vor dem Dachaufbau ist ein „Feldversuch“ wie hier ratsam.

Aber nun zum eigentlichen Thema der gewählten Überschrift „Nostalgie“.

Das König Ludwig II. Notfunk-Relais
Der Umsetzer auf der Bergstation der Tegelbergbahn in 1707 m Höhe überträgt einige Amateurfunk-Dienste, darunter auch ATV. Offizieller Betreiber ist der Distrikt T, Schwaben. Auch hat der Umsetzer die Funktion eines Notfunk-Relais. Wichtige Eckwerte für ATV:
Frequenzmodulation mit 16 MHz Bandbreite bei Mittenfrequenz 1280 MHz, horizontale Aussendung, 24-Stunden-Betrieb. Dem örtlich weniger kundigen Leser sei verraten, dass der Tegelberg in Rufweite zum Märchenschloss Neuschwanstein liegt, das erklärt das Konterfei von König Ludwig II als Insert in einem der Stationsbilder. Das Call des Relais lautet auf DBØOAL für Ostallgäu (1). Wir haben es dank FM mit einer analogen Modulation zu tun. Was fällt uns dazu ein? Relaisumsetzung ohne Zeitverzögerung und bei passendem Empfänger – Voraussetzung ohne Rauschunterdrückung – Empfang auch bei dürftigen Feldstärkeverhältnissen und damit erleichtertes Aufsuchen der besten Empfangsstelle. Und damit auch eine Begünstigung von Experimenten!

Als DATV-Amateur tappt man oft „im Dunkeln“
Woran kann ein Nicht-Empfang liegen? Alle Systemparameter richtig eingestellt? Alles Equipment von der Antenne, über Vorverstärker, alle Kabelstecker, Konverter, Demodulator bis zum Bildschirm okay? Und letztlich die entscheidende Frage, ist die Feldstärke ausreichend? Schließlich kennt das digitale ATV nur zwei Zustände: Geht – geht nicht. Bei „Geht nicht“ ist dann nur ein blauer Bildschirm zu sehen, wo eigentlich doch das Signal „nur wenig unter der Grasnarbe“ lag. Ja, es gibt nachzurüstende Hilfskonstruktionen bzw. Umbauten, um das Muting zu überlisten. Aber wer hat das schon…
Ich will zugeben, viele der meist billigen Settop-Boxen der letzten Generation für analoges FM-TV kannten oft auch nur die zwei Zustände, nämlich Wiedergabe bei gutem Bild oder eben keinerlei Anzeige. Es geht also darum, einen alten, leistungsfähigen Rx zu finden. Ich hatte Glück.

Empfangs-Verzerrung
Trotz Fehlabstimmung, wie im Bild, oder bei mangelhafter Feldstärke vermitteln alte FM-Sat-TV-Empfänger bereits die Ahnung eines Bildes.

Als Settop-Box fand sich in meinem Altbestand das Modell NextWave EX-600, das auch zum Einrichten von Satelliten-TV-Rotoren geeignet war. Um die beste Antennen-Position festzulegen, sollte er bereits schwache Signale in der geahnten Position verarbeiten. Freilich hat ein so altes Modell keinen HDMI-Ausgang, sondern nur Scart oder/und RCA auf Cinch. Für die Bildwiedergabe dachte ich zuerst an meinen kleinen DVB-T2 HD-TV, doch erwies sich dieser mangels passender Video-Eingänge als ungeeignet. Ein Wandlermodul, das Video/Audio von Cinch nach HDMI umsetzt, gibt es käuflich, hatte ich aber nicht zur Hand. Doch gab es da noch den kleinen Portabel-Empfänger mit 10 cm Bildschirmdiagonale aus der AM-TV-Zeit in der Schublade. Ich hatte ihn nie entsorgt, weil er einen Video/Audio-Eingang per 3,5 mm Klinkenbuchse hat. Jetzt kam die Zeit der „Wiedererweckung“. An einem Kabel mit Cinch auf der einen Seite und am anderen Ende einem Klinkenstecker sollte es nicht mangeln.

Als 23-cm-Band-Antenne hatte ich die 3,07 m lange Tonna mit 35 Elementen vorgesehen (2). Und als Alternative noch eine „Achter-Antenne“, also ein Doppeldipol (2mal Lambda-Ganze) vor einer Reflektorwand. Als VV wollte ich bewusst nicht eine meiner früher gern benutzten Spezial-Vorverstärker mit Spannungsversorgung über die F-Buchse des 75-Ohm-Koaxalkabel benutzen. Zum Einsatz kam die Kombination 25-W-PA mit integriertem 16-dB-VV von LZ5HP (3). Der Hintergrund ist klar, es soll die Antenne auch mal anderen Zwecken dienen. Versuche übers 2-m-Zugspitzrelais zeigten, dass Sprachrelais notfalls mit falscher Polarisation, also horizontal statt vertikal, gearbeitet werden können. Eine falsche Polarisation dämpft typischer Weise um 20 dB. DBØOAL verwendet zum Senden wie auch zum späteren Empfang gut bündelnde Schlitzantennen, sie polarisieren horizontal.

Auf einen Versuch kommt es an
Ein Geländeschnitt von den Bergen zu mir nachhause zeigte, dass ausgerechnet zum Tegelberg bei Füssen wie auch schon zur Zugspitze bei Garmisch ein Hügel in 1 km Entfernung quer steht. Die Signale müssen mindestens dort durch einen Wald und wahrscheinlich geht´s auch dann nur von der Spitze meines dazu voll ausgefahrenen Teleskopmastes. Eine ähnliche Erfahrung hatte ich früher schon mal in Richtung München: Bei 8 m Masthöhe ging noch nichts, bei 10 m aber sehr wohl. Um sicher zu sein, dass alles Equipment funktioniert, gab es nur eines: Alles in meinen VW-Bus zu laden und auf eine Anhöhe zu fahren, wo es gehen muss! Dazu wählte ich die Verlängerung der Achse Tegelbergbahn – QTH Hagenheim – Wiese 2 km nördlicher. Gesamtstrecke 53 km.

DH6MAV happy

Improvisiert: Am Boden des Camping-Busses liegen der Sat-TV-Rx, darauf zur Bildwiedergabe der Mini-TV, daneben der jetzt nicht benutze VV (integriert in einer PA), abseits die Achter-Antenne und – immer empfehlenswert – ein Messinstrument, um vor Ort sicherheitshalber die richtige Polung der Stromversorgung zu prüfen. Der betagte kleine TV-Empfänger hat tatsächlich Minus als Stecker-Mittenpol! Nicht im Bild der 12V/ 230V-Wandler für den Satelliten-TV-Receiver. Selfie des glücklichen Autors (4).

Kommen wir zum Ergebnis: Der 12V/230V-Wandler, der für die Settop-Box nötig war, störte nicht. Der kurze Mast neben dem Fahrzeug reichte aus. Fernsicht gab es am Versuchstag nicht, doch stimmten Peilung und das Videoergebnis mit der Vorplanung überein. Alles funktioniert sogar ohne VV an der 35-Element-Tonna oder mit VV an der Doppelacht. Perfekt!

Hilfreich zeigte sich, dass anfangs beim Einschwenken der Antenne und Optimieren der Parameter am Sat-TV-Rx sofort ein, wenn auch vorerst instabiles Bild zu sehen war. So tappte ich nicht im Dunkeln. Der „altmodischen“ analogen Frequenz-Modulation sei Dank. Wer aktuell die Homepage https://db0oal.de besucht, wird feststellen, dass der 13-cm-Rx auf dem Berg leider ohne Funktion ist. Der Verantwortliche für den Umsetzer, Peter Ass, DB7MJ, berichtete mir, dass die Reparatur bis zur HAM RADIO leider nicht mehr ausführbar sei. Doch dürfen wir für den August 2023 mit dem Ersatz des FM-ATV-Empfängers für 2329 MHz rechnen.

(1) https://db0oal.de
(2) Tonna Modell 20635, 18,6 dBd, nicht mehr lieferbar.
(3) Firma SG Laboratory Ltd., Sofia. Der VV verstärkt 16 dB, nicht 10 dB wie das Beiblatt aussagt. Noise 0,8 dB.
(4) https://www.qrz.com/db/DH6MAV